Lena Lapschina (AT)
RUNTIME
7.6.2015 | 14 – 24 Uhr
14 – 24 Uhr | Media Installation
17 Uhr | Künstlergespräch
Lena Lapschina, RUNTIME, media installation, 2015 [videostill]
In ihrer für die kunsthallekleinbasel
entwickelten Installation "RUNTIME" widmet sich Lena
Lapschina dem Phänomen Zeitdruck. Effizienzgetriebene, smarte Leben
würden ohne dieses Bedrängtsein gar nicht funktionieren, sagt die
Künstlerin, die Zeitdruck als Ergebnis bestimmter An- und
Nebeneinanderreihungen von Zeitspannen betrachtet, vergleichbar der
Wirkungsweise der Spuren in einem Videoschnittprogramm: Mit großen
Zukunftsplänen beschäftigt, wenn nicht gerade in kleinliche
Vergangenheitserinnerungen vertieft, gerät Menschen schließlich das
Jetzt aus dem Sichtfeld. Ausgerechnet dieses so wesentliche Jetzt,
das einmal nur abläuft – nur und gerade jetzt.
Lena Lapschina behandelt – griechisch: therapiert – das Thema in Kleinbasel auf zwei Leinwänden mit tageszeitabhängig wechselnden Videos. Hin und her geworfen zwischen der fluchtartigen Rastlosigkeit eines Kunstwesens und des gefühlten völligen Stillstands eines Zeitmessers, fallen die BetrachterInnen von "RUNTIME" allmählich in Trance.
Lena Lapschina behandelt – griechisch: therapiert – das Thema in Kleinbasel auf zwei Leinwänden mit tageszeitabhängig wechselnden Videos. Hin und her geworfen zwischen der fluchtartigen Rastlosigkeit eines Kunstwesens und des gefühlten völligen Stillstands eines Zeitmessers, fallen die BetrachterInnen von "RUNTIME" allmählich in Trance.
Lena Lapschina, RUNTIME. Basel, 2015.
Ausstellungsansicht, kunsthallekleinbasel, Fotografien: Léa Girardin. Basel, 2015.
Ausstellungsansicht, kunsthallekleinbasel, Fotografien: Léa Girardin. Basel, 2015.
RUNTIME
von Patrizia Mazzei
Beim Betreten des Raums erkennt man ihn sogleich, den rosaroten Duracellhasen aus der Werbung. Schon zu Beginn der 1970er-Jahren wurde er in der Werbung als eingängliches Sinnbild für schier unendliche Ausdauer und Stärke eingesetzt, der als einziger noch mit einem Lächeln läuft, während alle andern erschöpft stehen geblieben sind. Im Gegensatz zu den zurückgebliebenen, umgekippten Verlierern wird vordergründig (beinahe) ewige Ausdauer mit Stärke gleichgesetzt. Durch die Perspektive und Kameraführung der Künstlerin kippt diese Gleichung: das Häschen scheint gestresst, ja fast gehetzt.
Was erst harmlos und lustig wirkt, wird durch die Inszenierung zur Parodie. Die körperliche Leistung erscheint lächerlich und wechselt von einem erstrebenswerten Zustand zu einem körperlichen Zustand, der aus Stress und Hektik zu bestehen scheint.
Ebenso wie sich die Sonne zum Schatten verhält, so verstärkt das Bewusstsein einer Zeitlichkeit auch dasjenige der Gegenwart und Vergangenheit. Wir sind beschäftigt mit sich überlappenden Zeitsträngen und schweifen in Gedanken zwischen dem was noch zu tun ist, Erinnerungen an das was passiert ist und dem Bewältigen der momentanen Begebenheiten.
Oft geht in der omnipräsenten Frage nach der Zeit vergessen, dass nicht sie uns davon eilt, sondern wir selbst entscheiden, wie wir sie einteilen und nutzen. Auch wenn unser voller Terminplan fremdbestimmt erscheinen mag, ist dies meist eine Konsequenz der zuvor getroffenen Entscheidungen. Nicht das Leben an sich hetzt uns, wir bestimmen unser Handeln selbst und entscheiden in welchem Masse Freizeit, Arbeit oder Studium zum Zuge kommen. Lena Lapschina zeigt – ganz in dem Sinne wie Christo und Jeanne-Claude verhüllen um zu enthüllen – den andauernden Kampf mit der Zeit auf, um sich auf ein Hier und Jetzt zu besinnen. Die Niedlichkeit des Hasen, seine ikonografische Qualität und die kollektiven Erinnerung an ein Phänomen der Populärkultur − in Verbindung mit der Geräuschkulisse − lässt auf Parallelen zum alltäglichen eigenen Leben schliessen. Darüber nachzudenken, was eigentlich erstrebenswert, also lebenswert ist, bleibt den Betrachtern überlassen: Folgt das Handeln einer unausgesprochenen Erwartung der Gesellschaft? Oder der eigenen Persönlichkeitsstruktur? Lena Lapschina lässt es in RUNTIME offen und regt so zur Suche nach einer «persönlichen Zeit» an.
Neologismen, die sich in den alltäglichen Sprachgebrauch eingeschlichen haben, wiederspiegeln immer auch die Veränderung von sozialen Strukturen und die Entwicklung der Werte einer Gesellschaft. So gehören Zeitmanagement, Work-Live-Balance und Quality Time heute zum alltäglichen deutschen Sprachgebrauch und zeigen wie omnipräsent die Ökonomisierung der Zeit ist und wie man täglich damit konfrontiert wird.
Wir sind umgeben von vielen kleinen Hinweisen wie sich die Zeit und unsere Beziehung dazu verändert hat. Lena Lapschina führt dem Betrachter durch Witz und Ironie dieses Verhältnis vor Augen und bringt ihn durch subtile Lenkung mittels Bild- und Tonsprache sich darüber Gedanken zu machen. Wie wir persönlich damit umgehen ist aber uns überlassen. Nennt man es Zeit, Stress, Herausforderung, ist es zeitraubend, lebt man in der Vergangenheit, der Zukunft? Viele Fragen die uns tagtäglich begegnen, mit denen man sich aber nicht immer auseinandersetzten mag, erscheint es auf den ersten Blick doch einfacher sich über Stress zu beklagen und mitzulaufen, als das ganze System zu hinterfragen.
Lauf Häschen lauf sonst holt die Zeit, das Jetzt, das schon vorbei ist, dich ein.
Text: Patrizia Mazzei
Zürich, 2015
Lena Lapschina
Lena Lapschina ist freischaffende Künstlerin. Sie lebt und arbeitet heute in Niederösterreich und Wien. 2011 ist sie mit dem Austrian State Grant for Video and Media Art ausgezeichnet worden. Lapschina macht Kunst, seit sie vier Jahre alt ist, studierte Kunst und Kunstwissenschaften und arbeitet heute vor allem mit den Medien Fotografie, Wandbild und Video.
Mit der Arbeit "Propaganda" (2014), einer Medieninstallation an der Fassade eines Hauses in Wien-Leopoldstadt, greift die Künstlerin ein Thema auf, mit dem sie während ihrer Kunstausbildung in Russland konfrontiert war und das heutzutage – wenn auch von vielen unbemerkt – global allgegenwärtig geworden ist. Statements im öffentlichen Raum thematisiert Lapschina auch mit der Arbeit "Wien bleibt deutsch" (2013). Das Wandbild aus roter Farbe nimmt einen politischen Slogan auf, der sich als Schmiererei auf Wiener Gemeindebauten und Bushaltestellen fand. Konkrete Kampfparolen oder Werbesprüche suchen wir in der Arbeit "Yes/No" (2015) wiederum vergebens. In weisser Neonschrift, einem beliebten Werbemittel, leuchten für die sich nach links und rechts wendenden Betrachter abwechselnd die Worte "Yes" und "No" auf. Scheinbar gilt es, Entscheidungen zu treffen. Dabei drängt sich jedoch die Frage auf, was denn entschieden werden soll und ob "die Wahl zu haben" heute wichtiger ist, als zu wissen worum es eigentlich geht.
Aktuelle Arbeiten von Lena Lapschina und Ausstellungen der jüngeren Gegenwart sind hier zu sehen:
www.LAPSCHINA.com
Mit der Arbeit "Propaganda" (2014), einer Medieninstallation an der Fassade eines Hauses in Wien-Leopoldstadt, greift die Künstlerin ein Thema auf, mit dem sie während ihrer Kunstausbildung in Russland konfrontiert war und das heutzutage – wenn auch von vielen unbemerkt – global allgegenwärtig geworden ist. Statements im öffentlichen Raum thematisiert Lapschina auch mit der Arbeit "Wien bleibt deutsch" (2013). Das Wandbild aus roter Farbe nimmt einen politischen Slogan auf, der sich als Schmiererei auf Wiener Gemeindebauten und Bushaltestellen fand. Konkrete Kampfparolen oder Werbesprüche suchen wir in der Arbeit "Yes/No" (2015) wiederum vergebens. In weisser Neonschrift, einem beliebten Werbemittel, leuchten für die sich nach links und rechts wendenden Betrachter abwechselnd die Worte "Yes" und "No" auf. Scheinbar gilt es, Entscheidungen zu treffen. Dabei drängt sich jedoch die Frage auf, was denn entschieden werden soll und ob "die Wahl zu haben" heute wichtiger ist, als zu wissen worum es eigentlich geht.
Aktuelle Arbeiten von Lena Lapschina und Ausstellungen der jüngeren Gegenwart sind hier zu sehen:
www.LAPSCHINA.com